"Ich behaupte nämlich, dass er (Sokrates) ganz ähnlich jenen bekannten Silenengehäusen* sei, wie man sie in den Werkstätten der Bildhauer kauern sieht, welche die Künstler mit Hirtenpfeifen und Flöten in der Hand zu bilden pflegen. Wenn man diese in der Mitte nach beiden Seiten hin aufklappt, zeigt es sich, dass sie in dem Gehäuse Götterbilder einschließen.(...)" (Alkibiades in "Platon, Das Gastmahl")
*"Gehäuse für Götter- und Kultstatuetten in Form eines flötenspielenden Silens, mit Doppeltüren versehen, die man nach
der Seite öffnen konnte. Silenos ist der Lehrer und Erzieher des Bacchos, Silene sind neben den Satyrn die Begleiter des Bacchos, trinkfest, glatzköpfig, stumpfnasig und dickbäuchig."
(Franz Eckstein, Anmerkungen zu "Das Gastmahl", Goldmanns Gelbe Taschenbücher Band 560, 1966)
"Alle Dinge haben zwei Ansehen, denn Gott hat sich vorgenommen ewig mit der Welt Widerpart zu halten und ihr den Schein zu lassen, selbst aber die Wahrheit und das Ding für sich und die Seinen zu behalten.(...)Darum kann vor Gott in der Wahrheit nicht sein, wie es vor der Welt scheint, sondern jedes Ding ist umgekehrt, und ein umgewendeter Silenus. (Sebastian Franck, Paradoxa, 1534)(...) Der umgestürzte Silen ist nicht das Symbol der Wahrheit, die Gott uns entzogen hat, er ist viel mehr und viel weniger: Das Symbol der Dinge selbst an der Oberfläche der Erde, diese Verwicklung der Gegensätze, die uns vielleicht für immer den einzigen und geraden Weg zur Wahrheit raubt. (...) Es ist bekannt, dass alle menschlichen Dinge, gleich den Silenen des Alcibiades, von innen ein anderes Gesicht haben als von außen: man sieht den Tod, und findet das Leben, man sieht das Leben, und findet den Tod; das Schöne ist häßlich, das Reiche arm, das Schändliche herrlich, das Gelehrte ungelehrt (...); kurz, öffne den Silen, so wirst alles verkehrt finden."
(Erasmus von Rotterdam, Das Lob der Narrheit, 1510, zit. nach Michel Foucault, Wahnsinn und Gesellschaft, Suhrkamp STW 39, 1969)
K. Schöpp 2010