Mit dem Begriff ‚Ars Subtilior’ – ursprünglich von der Musikwissenschaftlicher Ursula Günther in Anspielung auf den historischen Begriff der ‚Ars Nova’ geprägt – werden Werke des ausgehenden 14. und beginnenden 15. Jahrhunderts bezeichnet, die die rhythmischen, melodischen und harmonischen Möglichkeiten des zeitgenössischen musikalischen Materials in manieristischer Weise zu übersteigern trachten. Zahlreiche Neuerung auf Ebene der Notation, wie z.B. die Nutzung von Färbungen, Erweiterungen der Mensur- und Proportionszeichen oder auch gänzlich neu erfundene Notengraphien reflektieren diese Suche nach der Komplexität als künstlerischem Eigenwert. Die Texte der Ars Subtilior wiederum fügen dieser Suche teils eine ironische Note hinzu: So merkt der Dichter der Ballade „Pour haut et liement chanter“ an, dass nicht allein die schöne Stimme zum wahrhaften Musizieren ausreiche, sondern das gerade die Kenntnis und Umsetzung musikalischer Strukturen entscheidend sei. Wenn er allerdings fordert, dass man beim Singen Verzierungen allein mit rechtem Maß anbringen solle, dann steht dies diametral zur erklingenden Musik, die keine Scheu vor weitschweifigen Sequenzen und selbstgefälligen Verkomplizierungen kennt.